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Lernen an Stationen
Als Möglichkeit zur Differenzierung

Kinder denken und handeln unterschiedlich und nutzen die ihnen eigenen Strukturen um zu lernen und zu arbeiten, sofern für sie die Möglichkeit dazu besteht. Aus dieser Einsicht heraus hat sich das Lernen an Stationen entwickelt. Es ist eine Lernform, in der von der Lehrkraft durch ein Angebot von selbstständig zu bearbeiten den Lernstationen der inhaltliche Rahmen gesetzt wird. Dies kann ein bestimmtes Teilgebiet (eine Lerneinheit)aus einem Fach ebenso sein wie ein eher projektartiger Zugang für fächerverbindende oder fächerübergreifende Thematik. Ein breites Angebot und eine dem Angebot entsprechende Bearbeitungsdauer eröffnen positive und individuumsangemessene Lernmöglichkeiten.

Ursprung und Beschreibung der Arbeitsform:

Im Sport finden wir das Circuit-Training sehr oft: In kurzer Zeit werden viele unterschiedliche Übungsformen aneinander gereiht, die durch ein Zeitsignal abgebrochen werden. So wurden auch die ersten Lernzirkel von uns gestaltet, stark in Anlehnung an das Circuit-Training im Sport. Beim selbstständigen Erarbeiten oder beim vertiefenden Bearbeiten von Inhalten sowie beim effektiven Üben mussten die aus dem Sport bekannten Rahmenbedingungen abgewandelt und verbessert werden. Um sich vom reinen Übungsdenken abzugrenzen, hat sich die Arbeitsform unter dem Begriff "Lernen an Stationen "etabliert.(vgl. Literaturangabe 1, Seite 58 ff.).

Äußerer Rahmen und Ordnungskriterien:

Den Kindern werden von der Lehrkraft oder von anderen Kindern gefertigte Arbeitsstationen angeboten, um entsprechend ihrer Möglichkeiten, ihrem Tempo und mit ihren individuellen Voraussetzungen selbstständig zu lernen, zu üben oder zu vertiefen. Dazu werden (meist schriftliche oder bildlich dar gestellte)Arbeitsaufträge bereitgestellt, die den Kindern Anregungen geben, Hilfen anbieten und selbstverständlich auch offenere Zugangsweisen und unterschiedliche Ergebnissicherung zulassen. Die ästhetisch ansprechende und vorbildhafte Gestaltung ist ein weiteres wesentliches Merkmal der Arbeitsaufträge. Die Kinder erhalten durch die klare Kennzeichnung von Teilgebieten (beliebige Symbolik, Verwendung von farbigem Papier usw.)auch eine Ordnungsstruktur des Inhalts. Die Arbeitsaufträge beschreiben (gerne auch in Bildern),was zu tun ist oder in welchem Rahmen sich das Tun bewegen soll, ggf. wo und wie Ergebnisse festzuhalten sind. Einfach alles, was im linearen Vorgehen im Unterricht den Kindern häufig verbal erklärt wird.

Zeitrahmen /Auswahlangebot:

Das Lernangebot einer ganzen Unterrichtseinheit, Übungssequenz bzw. der Rahmen eines projektartigen Vorgehens wird insgesamt für 3 bis etwa 15 Unterrichtsstunden zur Verfügung gestellt. Drei Unterrichtsstunden sind m.E. die Untergrenze, um die erwähnten Gesichtspunkte zu berücksichtigen.15 Unterrichtsstunden entsprechen bei einem fünfstündigen Unterrichtsfach etwa einer dreiwöchigen Bearbeitungszeit; dies sollte m.E.d ie Obergrenze für eine Unterrichtseinheit darstellen. Entscheidend ist, dass eine, maximal zwei Unterrichtsstunden "am Stück " eine Arbeitsphase bilden, frei nach dem Motto:"Aufhören, wenn es am schönsten ist!" Unterschiedliches Arbeiten aus verschiedener Blickrichtung erfordert mehr Angebote als von den einzelnen Kindern bearbeitet werden müssen. Die Obergrenze des Angebots orientiert sich dabei an den Möglichkeiten der Lehrkraft und den leistungsfähigsten Kindern, die Minimalanforderung am Leistungsschwächsten. Oft regen die bereitgestellten Angebote an selbst tätig zu werden und eigene Wege zu gehen, Entdeckungen zu machen, Dinge zu hinterfragen usw. Entgegen oft geäußerten Befürchtungen hat die Erfahrung gezeigt, dass der offene Rahmen nicht oder höchstens kurzfristig im Sinne von Arbeitsminimierung oder "sich Drücken "ausgenutzt wird. Im Gegenteil: Die Offenheit und Unterschiedlichkeit der Angebote steigert die Motivation und die Arbeitsbereitschaft. Notwendige Grundinformationen sind als Pflichtstationen deklariert. Gesprächs runden geben die Möglichkeit, anderen etwas zu zeigen, zu erklären oder selbst Fragen zu stellen, vor allem jedoch die individuellen Lernwege darzustellen und zueinander in Beziehung zu bringen. Derartige Gesprächsphasen unterstützen das Miteinander und Voneinander in der Klassengemeinschaft.

Hauptgesichtspunkte für die Gestaltung von Arbeitsaufträgen:

Nach Bruner (2)laufen Lernprozesse dann optimal ab, wenn sie die drei Repräsentationsebenen enaktiv, ikonisch, symbolisch berücksichtigen und damit Bearbeitung auf der Handlungsebene, der bildlichen Darstellung und der Beschreibung in symbolischer Form (als Text, Lehrsatz, Formel usw.)ermöglichen. Wenn von einer Repräsentationsform in die andere umgearbeitet wird, findet Lernen in optimaler Form statt: z.B. Texte in grafische Darstellungen oder Handlungen umsetzen oder umgekehrt, Handlungen bildnerisch darstellen oder bildliche Darstel lungen in Handlungen umsetzen usw. Immer dieselbe Form (hier ist eine Aufgabe, suche die Lösung)in nur anderen Verpackungen anzubieten, stellt selten optimales Lernen dar, bestenfalls motiviertes Beschäftigen. Lernen an Stationen verlangt mehr als diese eingeschränkte Form von schulischer Arbeit. Differenzierung beim Lernen an Stationen ermöglicht deutlich höhere Anteile praktischen Arbeitens und Lernens, weil Materialien, die bisher eher zu Demonstrationszwecken ein gesetzt werden, nun die Grundlage von Arbeitsstationen sein können. Jeweils unterschiedliche Angebote, als eine Station präsentiert, die im Zuge der Gesamtbearbeitungszeit jedem Kind irgendwann die Auseinandersetzung damit gestatten, ermöglichen auch bei geringer Materialausstattung einen handlungsorientierten Ansatz für viele. Zusätzlich sind Ausschnitte aus Büchern, Kopiervorlagen, Filmen, Bilder, Ergebnisse von Mitschülern usw. Grundlagen von Arbeitsstationen. Meist ist nur das Zufügen eines konkreten Arbeitsauftrags oder einer Anregung erforderlich. Hilfen sind unabdingbar, wenn das verfolgte Ziel, die selbstständige Bearbeitung gefördert und auch weitgehend erreicht werden soll. Diese Hilfen können bei jeder einzelnen Station auf Ansätze, Verfahren o.Ä. verweisen (auch wer "es "noch nicht kann, sollte mit diesen Hilfen selbstständig weiterkommen.).

Rolle der Lehrerin, des Lehrers:

Ein Großteil der Arbeit liegt in der Aufarbeitung der Lerninhalte, um sie den Kindern zugänglich zu machen. Dies erfolgt meist außerhalb des Unterrichts als Vorbereitung. Dafür ist Zeit notwendig. Der Energie aufwand ist jedoch deutlich geringer als z.B. m Frontalunterricht laufend alle Kinder auf die Lehrperson oder das gleichschrittige Vorgehen zu konzentrieren. Im Unterricht selbst, oder besser "während der Arbeitsphasen in der Schule ",entstehen Zeiten, um sich mit einzelnen Kindern zu beschäftigen. Hier können Lernprozesse beobachtet wer den, nicht nur Lernergebnisse. Es können Hilfen angeboten werden und durch die Beobachtung können Bewertungen und Leistungsbeurteilungen kontinuierlich stattfinden. Positive Bewertungen stehen im Vordergrund, Negativrückmeldungen als versteckte Appelle oder "Motivationshilfen " werden vermieden Die bisherige Leistungsmessung in Form einer Klassenarbeit ist im Anschluss an die Erarbeitung oder Übung mit Lernen an Stationen genauso möglich. Das offene Lernangebot verlangt jedoch auch mehr Offenheit bei der Leistungsmessung. In direkter Anlehnung an die einzelnen Stationen sind Fragestellungen ableitbar, die Bearbeitung selbst muss auch eine Auswahl ermöglichen.

Überall kann zurzeit beobachtet werden, dass im Arbeitsbereich, der Wirtschaft und der Verwaltung Verantwortung nach unten verlagert wird. Lernen an Stationen ermöglicht dies im schulischen Bereich auch: Die Verantwortung für die Inhalte liegt nach wie vor bei der Lehrkraft, die die Lernangebote auswählt und aufbereitet. Die Art und Weise der Aneignung und Vertiefung aber rücken mehr in die Verantwortung der Lernenden, der Kinder. Kinder müssen selbst das Lernen lernen, eine Eigenschaft, die in Zukunft eine Grundvoraussetzung darstellt. Lernen als ein Teil des Arbeitsprozesses -nicht Lernen um später arbeiten zu können! Dann muss der Arbeitsprozess aber schon in der Schule den Voraussetzungen der Kinder angemessen sein!

Roland Bauer Was? Wie? Warum? - Das Grundschul-Journal von Cornelsen, Ausgabe 03/2000, Seite 18/19

Literatur:
(1) Bauer, Roland: Lernen an Stationen in der Grundschule.
Ein Weg zu kindgerechtem Lernen. Berlin 1997

(2)Bruner, Jerome S.: Entwurf einer Unterrichtstheorie. Düsseldorf 1974


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